Türchen 23

Und Boom! Weihnachten ist morgen. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass damit auch der SP-Adventskalender vorbei ist. Bevor wir wegen morgen aber alle in Panik verfallen, habe ich euch noch eines meiner Lieblingsbücher hinter Türchen 23 versteckt.

Es ist einfach so toll, aber ich will gar nicht zu viel verraten, außer: Hattet ihr nicht auch schon mal den Wunsch in Bücher reisen zu können? In Nylem wird der Traum eines jeden Bücherwurms wahr:

Schwalbennacht – Die Stille der Magie

von Roukeiya Peters

Vor wenigen Jahren wurde die Ebene Nylem von Asoma und Scudari erschaffen. Die Magiebegabten sorgten dafür, dass das Land eine Zuflucht für ihresgleichen bot. Doch das friedliche Zusammenleben fand mit den Hütern der Harmonie ein jähes Ende.

Knapp 50 Jahre später lebt Runa in einer Welt, in der die Ausübung magischer Begabungen verboten ist, obwohl ein Großteil der Bevölkerung Nylems Magie in sich trägt. Aus Angst vor den Hütern verzichten die Menschen auf ihre Talente.

Runa ist innerlich zerrissen. Sie liebt ihre Gabe, in Bücher zu reisen, begibt sich dabei jedoch immer wieder in Gefahr.

Als sich eine weitere Fähigkeit abzeichnet, muss sie um ihre Lesergabe bangen. Derweil hat sie ungeahnt etwas angestoßen, das für ganz Nylem Veränderung bedeuten könnte.

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Weihnachtlich glänzet der Wald

Das Erste, was Jenna wahrnahm, war der kalte Wind, der über ihre Haut fegte. Etwas Nasses, das gegen ihr Gesicht klatschte. Sie kniff ihre Lider fest zu, bevor sie schließlich stöhnte und ihrer weißen Zimmerdecke entgegensah.

Sie richtete sich auf und schloss das Fenster, das wieder mal aufgesprungen war und den Winter hineingebeten hatte. Dabei leuchteten ihr die bunten Lichter der Weihnacht entgegen, im Himmel entdeckte sie, wie jede Nacht ab dem ersten Dezember, einen Santa Clause, der mit dem Schlitten und den neun Rentieren durch die klare Luft flog. Allein für diese Animation hatte es eine große Arbeitsgruppe gegeben. Scudari, die sich darum bemühten, dass eine Abbildung von Santa Clause aus einem Buch in der Welt umherflog. Als ob es nichts Wichtigeres gab. Jenna verdrehte die Augen und wappnete sich für den ersten Weihnachtstag.

Zur Mittagszeit schob sie ein ganzes Blech voller Plätzchen in den Ofen und rührte den Puderzucker zu Zuckerguss.

»Dein Opa kommt heute, sei bitte nett.« Ihre Mutter Beatrice nahm ihr den Guss ab und rührte etwas rote Farbe hinein. Jenna hasse rosa, aber hier kümmerte es keinen, was sie mochte.

»Ich bin nett, wenn er es auch ist«, erwiderte sie. Noch drei Minuten bis die Kekse fertig waren. Nur noch den Zuckerguss draufklatschen, mit Perlen bestreuen, oder viel mehr bewerfen, und fertig. Dann konnte sie dem Ganzen hier vorerst entfliehen.

Ihre Mutter seufzte, verschränkte die Arme und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Küchentheke. Ihre braunen Augen blitzten auf. »Es sind nur ein paar Stunden, du wirst es schaffen, dich zusammenzureißen. Das war keine Bitte.« Ja, es war ein verdammter Befehl.

Jenna riss den Backofen auf und holte das Blech heraus. Dampfende Vanillewolken waberten in der Luft und verströmten ein weihnachtliches Gefühl, das Jennas Herz nicht erreichte.

»Hast du mich verstanden, Jen?«, fragte ihre Mutter bissig.

»Ja, Mutter.« Sie wollte, dass ihre Mom sich abwandt, und ihr Nachgeben bescherte ihr genau diesen Umstand.

Stillschweigend verzierten sie die Plätzchen und hörten Weihnachtsmusik. Nur wenige Minuten später summte Beatrice bereits fröhlich mit, als könnte die Melodie die Schwere des Konflikts aus der Luft filtern.

Nachdem Jenna aus der Küche verschwinden konnte, vertiefte sie sich in ein Buch, um aus dieser Welt zu entschwinden. Nicht so wie die Scudari es konnten. Manchmal wünschte sie sich auch, diese Gabe in sich zu tragen. Aber in ihrer Familie war keiner ein Asoma oder ein Scu. Doch alle waren vernarrt in die Magie, die ihnen vorenthalten wurde. Jenna sah allerdings auch die zahlreichen Nachteile. Magie wurde für Dinge eingesetzt, die völlig nutzlos waren, obwohl man die Energie für etwas Sinnvolleres einsetzen konnte. Asoma nutzten sie für illegale Machenschaften. Drogenhandel, Banküberfälle, Angriffe auf Menschen waren dabei nur einige Aspekte. All das konnte durch Magie noch besser vertuscht werden. Die junge Frau kam nicht umhin sich zu fragen, wann die Leute endlich ihre gerechte Strafe dafür bekamen.

Es dauerte nicht lang, bis Jenna aus ihrer heilen Buchweltentrissen wurde. Ein Ruf ihrer Mutter, forderte sie dazu auf, bei den Vorbereitungen zu helfen. Jenna reckte sich und nahm sich einige Sekunden, um sich seelisch auf die Farce vorzubereiten.

Sie stapfte hinunter und hörte bereits Männerstimmen, ein polterndes Lachen. Ihr Großvater war bereits da. Sie verstanden sich nicht besonders, was mitunter daran lag, dass er den Magiebegabten alles verzieh, während Jenna mit wachen Augen durch die Welt ging. Sie beschloss, eine vorzeitige Begrüßung zu vermeiden. Ihnen blieb beim Essen genug Zeit, sich gehörig auf die Nerven zu gehen.

Sie ging schnurstracks in das Esszimmer und griff nach der roten Decke, um sie über den Tisch auszubreiten. Die Teller lagen bereit, um aufgedeckt zu werden.

Leise rieselt der Schnee erklang aus der Küche und Jenna schluckte. Still und starr ruht der See. Doch stille Gewässer waren tief. Die junge Frau schüttelte ihren Kopf und verdrängte den Gedanken an eine Flucht aus diesen Wänden, die sich ihr Zuhause nannten. An einen Ort da draußen, der ihr tatsächlich Wärme schenken konnte, die sie so schmerzlich vermisste.

Die junge Frau setzte die großen goldenen Kerzenständer in die Mitte des Tisches, legte ein paar Tannenzweige dazu und betrachtete ihr Werk. Dafür, dass sie kein Fan der weihnachtlichen Oberflächlichkeit war, hatte sie großartige Arbeit geleistet.

»Jen!«, rief ihre Mutter und riss sie zurück in die raue weihnachtliche Realität.

»Ich komme schon«, murmelte sie und kam ihrer Mutter zur Hilfe.

Am späten Nachmittag saßen sie zu acht gemeinsam beim Weihnachtsessen und lauschten der Geschichte von Tante Zelda und Onkel Vernon, die ständig auf Reisen waren.

»Danach gab es eine riesige Schaumparty. Die Asomawissen, wie man feiert«, erzählte Zelda lachend und legte eine Hand auf die Schulter ihres Ehemannes. »Weißt du noch, Vernon? Dieser eine Mann, der alle Stimmen präzise nachahmen konnte?«

Jenna zog die Augenbrauen zusammen. »Das kann er aber auch ausnutzen. Das ist euch bewusst, oder?«

Ihr Großvater lachte. »Da kommt ja meine kleine schwarze Fee! Ich weiß nicht, von wem du diese negative Einstellung hast. Er macht es doch nur aus Spaß.« 

»Superwitzig, wenn man damit betrogen werden kann«, entgegnete Jenna.

»Jen!«, brummte ihr Vater und funkelte sie an. 

Ihre Mutter griff nach ihrem Knie und drückte es. Nicht, um ihr zu signalisieren, dass sie auf ihrer Seite war, sondern nur, um sie zu stoppen. Jenna biss sich auf die Zähne und hielt sich zurück.

»Nicht doch«, sagte ihr Großvater und lächelte sie an. »Ich weiß doch, dass du es nicht so meinst, Jenna. Die Magiebegabten haben Nylem erschaffen. Wir sollten dankbar sein und uns einfügen.«

Sie schloss ihre Augen und zählte bis drei. Versuchte sich irgendwie zu beruhigen, als ihre Meditation jäh von seiner Stimme unterbrochen wurde.

»Wir sind eben nicht mit einer Gabe gesegnet, aber wir können sie genießen. Die Magie ist um uns herum. Ich möchte dir nicht absprechen, dass es Menschen gibt, die es ausnutzen, aber die Welt ist eben nun mal, wie sie ist«, führte er aus.

»Jenna, du solltest mal mit uns mitkommen«, mischte sich nun auch ihr Onkel Vernon ein. »Du wirst sehen, was die Asoma und Scudari alles für uns leisten. Du könntest Toleranz lernen.« 

»Toleranz?«, wiederholte sie. »Ich bin tolerant! Ich habe nichts dagegen, wenn die Menschen ihre Gaben einsetzen, wenn sie andere dabei nicht schaden.«

Jenna stand auf. Sie musste sich diese Familie nicht antun. Sie musste sich nicht erzählen lassen, was sie an sich ändern müsste und dass ihre Meinung nicht zählte. Sie war wertvoll, egal was sie ihr versuchten einzutrichtern!

Die Familie sah sie mit großen Augen an, nur ihre zwei Tanten, die sowieso nur da waren, weil es kostenloses Essen gab, betrachteten sie mit einem kaum merklichen Schmunzeln auf den Lippen. Bedankten sich still für die Aufführung, die Jennas Leben war.

»Jen, setz dich bitte wieder«, befahl Beatrice.

Die junge Frau lächelte schmal. »Ich bin satt. Genießt den Weihnachtsabend ohne mich.« 

»Du setzt dich sofort wieder auf deinen Platz.« Ihr Vater erhob sich und drohte sie mit seinen strafenden braunen Augen wieder auf ihren Stuhl zu verbannen. Doch sie riss sich im letzten Moment los. Binnen Sekunden schlüpfte sie in ihre Stiefel, klaubte sich ihren Mantel, Schal und ihre Mütze zusammen und stürmte aus dem Haus, in dem nur noch die leise Weihnachtsmusik zu hören war. Sprachloses Schweigen hatte die Familie eingeholt und Jenna gönnte es ihnen und ihrer Parodie eines besinnlichen Weihnachtstags.

Draußen knirschte der Schnee unter ihrer Sohle und feine Flocken landeten auf ihrem hellen Mantel. Über ihr hörte sie Ho Ho Ho und den Schlitten, der über sie hinweg zog.

Warme Lichter an den Fenstern und geschmückte Bäume ließen sie hoffen, dass andere Familien nicht nur den Schein ertragen mussten. Dass sie wahrlich ein schönes Fest hatten. Doch es gab auch jene, wie sie, die statt einer Weihnachtsgans eine Lüge aufgetischt bekamen.

Sie steckte ihre Hände in die Manteltaschen und hielt auf den kleinen Wald zu, indem sie immer gern zur Ruhe kam. Zwischen den Nadelbäumen hielt sie inne, schloss ihre Augen und reckte ihr Gesicht in den nachtblauen Himmel. Die Schneeflocken landeten auf ihrer Haut und zerflossen zu Regenwasser.

Als sie ihre Lider öffnete, sah sie einem jungen Mann im schwarzen Mantel entgegen, der sie unverhohlen beobachtete, unter seinem Arm trug er ein dickes Buch.

»Was ist?«, fragte Jenna ihn barsch. 

»Ich habe mich nur gefragt, was jemand wie du, an einem solchen Tag allein draußen macht«, sagte er und lehnte sich an einen Baum. Er machte keine Anstalten näher zu kommen.

»Ich hatte genug von meiner Familie«, antwortete sie wahrheitsgemäß.

»Oh. Das tut mir leid. Mir geht es ähnlich.« Er hob das Buch an. »Lust, eine Runde Schlittschuh zu laufen?«

Jenna überlegte nicht lange, sie war bereit hier abzuhauen, sei es für ein paar Minuten. »Klar.« Sie kam dem jungen Mann näher. 

Seine braunen Locken glänzten vom Schnee. Er zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich? Du immagierst mit mir?«

»So ist es.« Sie stand nun vor ihm und sah in seine grünen Augen.

»Wow. Okay, schön. Ich heiße übrigens Marc. Marc Fisher«

»Jenna«, stellte sie sich vor und lächelte. »Ich weiß, ich wirke ein wenig verrückt.« 

»Verrückt und neben der Spur.« Er fuhr sich durch die Haare. »Man! Ich würde fast sagen, wenn ich es nicht wäre, mach das nicht, Jenna. Geh nicht mit einem fremden Mann mit. Man kann nie wissen.« Er grinste frech. 

»Sollte ich mir denn Gedanken machen?«, fragte sie.

»Nicht bei mir, aber sollte jemand anderes fragen, dann mach es bitte nicht«, sagte er und klappte das Buch auf.

Jenna war zuvor schon mal mit jemandem immagiert und freute sich auf die Ablenkung.

Marc streckte die Hand nach ihr aus. »Bereit?« 

»Bereit«, erwiderte sie. 

Als sie seine Haut berührte, spürte sie die Wärme, die sie durchflutete. Er sah kurz zu ihr und lächelte, als würde auch er die Verbindung zwischen ihnen spüren. Dann begann er zu lesen. Buchstaben flüsterten sich auf seine Haut, zogen sich immer weiter hoch, bis zu ihrer Hand. Ein leiser Sog, der sich aufbaute und schließlich in einem Sturm endete und die beiden in eine andere Welt riss.

Sie landeten auf einem Weihnachtsmarkt. Menschen mit Flügeln … Engel, wie Jenna begriff, liefen umher und verteilten Süßigkeiten an Kinder. In der Mitte eine riesige Eisfläche.

»Wollen wir, Jenna?«, fragte Marc und grinste.

»Ich bin nicht gut darin«, offenbarte sie.

»Nicht schlimm. Das kriegen wir hin.«

Leise Weihnachtsmusik erklang und es war das erste Mal, dass es Jenna berührte. Sie sah zu Marc, der ihnen Schlittschuhe besorgte, als wäre es das Normalste der Welt. Und irgendwie hoffte sie, dass das ihr neues Normal werden könnte.

»Hier«, sagte er. »Ich hoffe, die Größe ist richtig. Habe nur geschätzt.«

Jenna warf einen Blick auf die Schuhe und nickte. »Scheint, als könntest du das gut.«

Er zuckte mit den Schultern. »Mein Vater ist Schuhmacher.« Das erklärte seinen Blick. Marc streckte die Hand aus und wenige Minuten später befanden sie sich auf dem Eis. 

Der Scudari zog geschmeidige Kreise, während Jenna langsam über die glitschige Fläche zog. Sie betrachtete die Menschen, bloße Charaktere, die sich die Stände ansahen undgenoss den Geruch von Zimt und Vanille in der Luft.

Marc holte sie ein und streckte erneut die Hand aus. »Vertraust du mir?«

Jenna lachte und nahm sie dankbar an. »Nein, aber das Risiko ist es wert.«

Während sie herumwirbelten, heilte etwas ganz langsam in ihr. Vielleicht war es die Fremdheit, in der sie die Möglichkeit hatte, so zu sein, wie sie wirklich war. Doch das Einzige was zählte, war das Gefühl, das er in ihr weckte. Vielleicht war das der wahrhaftige Winterzauber.

Als sie danach an einer Hütte standen und einen Punsch tranken, betrachtete Marc sie mit glühenden Augen. »Wir sollten uns unbedingt treffen, Jenna. In der wirklichen Welt.«

Sie umfasste die heiße Tasse, fühlte die gleiche Wärme, die auch in ihrem Innersten aufkeimte. »Sehr gern.« Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. »Ich freue mich darauf.«

Marc lächelte sanft. »Das wird der Anfang einer wunderbaren Geschichte. Ich hab es im Gefühl.«

Marcs Gefühl bewahrheitete sich. Bis einst der Tag kam, der alles veränderte …

Bis dahin hatte Jenna zahlreiche Weihnachten mit ihrer eigenen kleinen Familie verbracht, hatte jeden Augenblick des Festes geliebt. Mit den Menschen, die ihr alles bedeuteten und sie schließlich verlor.

Jahrzehnte später wird Runa aus dem Fenster ihres Zimmers sehen. Eine junge Scudari, die sich nach Freiheit sehnt. Die Welt, in der sie lebt, wurde von Jenna Fisher geprägt. Die leisen Schneeflocken werden zu Boden rieseln und ihn bedecken, während Runa sich fragen wird, warum sie sich verstecken müssen. Selbst im Kreise der Familie wird nicht mehr über die Gaben gesprochen. Auch wenn sie von Menschen umgeben ist, die sie liebt, wird ein Schatten über ihr Dasein liegen. All die Hoffnungen werden sich hinter warmen Lichtern in den Fenstern verstecken, hinter beleuchteten Sternen, die von außen zu betrachten sind. Geheimnisse werden im Kerzenlicht flackern und darauf warten, offenbart zu werden.

Während weihnachtliche Melodien das Haus in sanfter Atmosphäre erscheinen lassen, der Duft von Orangen und Anis die Sinne entführen werden, vergisst das Herz nicht, warum es noch gestern nach Sehnsucht rief.

Ende

Wenn du mehr aus Nylem lesen willst, dann schau doch bei Roukeiya vorbei und lasst euch verzaubern.

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