Puh, nur noch 5 Tage bis Weihnachten, der Dezember fliegt einfach immer vorbei. Also hallo zu Türchen 19 des SP-Adventskalenders, heute mit einem Buch, dass ich wirklich geliebt habe. Abgesehen davon, dass die Gestaltung einfach der Hammer ist, ist die Autorin einfach wahnsinnig lieb und talentiert:
Funkenfeder: Teil 1 der Vogelwandler-Dilogie
von Ines Plagemann
Das Leben der 16-jährigen Ria wird von Regeln und Geheimnissen bestimmt. Nicht einmal ihrer besten Freundin darf sie erzählen, dass sie eine Vogelwandlerin, eine sogenannte Alata, ist. Selbst vor anderen ihrer Art muss sich Ria in Acht nehmen, denn sie kann sich in einen Phönix verwandeln und das hat schon ihren Vater das Leben gekostet.
Als sich ihr Großvater nicht mehr um sie kümmern kann, wird sie in die Federklaue gesteckt – ein Waisenhaus für Vogelwandler in Weimar. Dort ist Ria zum ersten Mal von Alati ihres Alters umgeben und im turbulenten Alltag wird es immer schwieriger, ihre Phönixgestalt zu verbergen – vor allem, als sie sich mehr und mehr zu Lily hingezogen fühlt. Doch schon bald ist das nicht mehr ihr einziges Problem.
Was hat es mit den Schattenwesen auf sich, die Weimar belagern? Und wohin verschwinden die Bewohner des Waisenhauses in der Nacht? Wird Ria die Geheimnisse, die sie umgeben, aufdecken können, ohne ihr eigenes zu verraten?
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Das Erste Treffen
Lily
Lily war müde und schlecht gelaunt, bevor der Tag richtig begonnen hatte. Normal war sie die Letzte, die sich wegen etwas Adrenalin beschwerte, aber langsam verging selbst ihr die Lust an den nächtlichen Ausflügen. Die Kälte wollte kaum noch aus ihren Gliedern weichen und ihre Schultern schmerzten vom vielen Fliegen in ihrer Grünspechtgestalt. Keine Ahnung, wie sie die nächste Nacht überstehen sollte, falls sie wieder losziehen mussten.
Da half nur eins: ihr aktuelles Lieblingsoutfit. Gähnend zog sie sich die Strickstrumpfhose und die karierten Shorts zu ihrer braunen Bluse an. Dann brachte sie zehn Minuten damit zu, ihre chaotischen mal glatten, mal gewellten Haare davon zu überzeugen, in eleganten Locken zu fallen. Zum Schluss war sie noch gereizter als vorher, aber immerhin saß ihr Outfit. Lily hatte den Dark-Academia-Style perfektioniert, bevor Social Media überhaupt wusste, was das war.
Zufrieden beendete sie ihr Morgenritual mit einer Runde durch ihr winziges Zimmer in der Villa Federklaue, bei der sie Schiller, ihren Blaufarn, und Virginia, ihre gefleckte Efeutute, goss. Sie hatte gerade die himmelblaue Tür ihres Zimmers auf dem Weg zum Frühstück hinter sich geschlossen, als Tina vom Bad in den Flur stolperte.
„Urgs, bist du auch so fertig?“, murrte Tina und strich sich mit beiden Händen zerzauste Strähnen ihrer hüftlangen braunen Haare aus dem Gesicht. Sie trug noch ihren Schlafpulli mit der Aufschrift Better Bird than Furred. Den Spruch konnte Lily heute Morgen nicht unterschreiben. Auf Fell könnte sie zwar ebenfalls verzichten, aber auf ihre Vogelwandlerexistenz hatte sie genauso wenig Lust. Wenn sie ein einfacher Mensch statt einer Alata wäre, könnte sie wenigstens mal eine Nacht durchschlafen. Oder durchlesen. Auch nicht schlecht. Sie hatte schon seit zwei Tagen nicht in Dorian Gray weiterlesen können, dabei war sie gerade an der besten Stelle.
„Hhm“, brummte sie statt einer Antwort.
„Wenn die Snagad heute Nacht wieder auftauchen, kann Jonas alleine hinfliegen“, sagte Tina.
Lily wusste, dass sie das nicht durchziehen würde. Hier in der Klauenschar hielten sie zusammen, auch wenn die Situation gerade kacke war. Aber das war nicht Jonas’ Schuld. Er war nur derjenige, der ihre Aufträge koordinierte und deswegen viel zu oft ihren Frust abbekam.
Sorge kroch in Lilys Eingeweide. „Wo kommen die nur alle her?“, überlegte sie laut. Wenn sie das nur herausfinden würden, könnten sie die Schattenwesen vielleicht ein für alle Mal zurückschlagen.
Tina zuckte ebenso hilflos mit den Schultern. Aber dann breitete sich unerwartet ein Lächeln auf ihren Lippen aus. „Übrigens“, sie trat einen Schritt näher und senkte ihre Stimme, „wir haben eine Neue.“
„Was?“ Aufregung flutete Lilys Venen, nur um gleich darauf vom Gedanke an die Snagad gedämpft zu werden. „Ausgerechnet jetzt. Das letzte, wofür wir Zeit haben, ist ein neues Mädchen einzuweisen, während wir mit den Snagad kämpfen.“
„Stimmt, aber immerhin ist sie kein Baby. Sie sieht aus, als wäre sie so alt wie wir.“
Überrascht zog Lily die Augenbrauen hoch. Die meisten Kinder, die in ihr Waisenhaus kamen, waren eben das: Kinder. Max und Ronja waren mit ihren zwölf Jahren aktuell die Jüngsten. Aber auch Lily, Tina, Kosmo und Jonas waren alle ungefähr in dem Alter hier eingezogen. Jetzt wurde Lily doch neugierig. Sie konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie fragte: „Sieht sie gut aus?“
Tina kicherte und haute ihr mit der flachen Hand auf den Arm. „Lily!“
„Was denn? Das Leben für queere Menschen ist hier schwierig genug. Da wird man jawohl noch träumen dürfen.“
„Hhm.“ Grinsend dachte Tina nach. „So viel habe ich von ihr nicht gesehen, sie schläft noch. Ohne zum Stalker zu werden, konnte ich nur ihre Haare und eventuell einen Teil ihres Fußes sehen. Nicht genug für ein finales Statement.“
„Schade aber auch. Sie hat bei dir übernachtet?“
„Jap, ihr Zimmer ist noch nicht bereit. Sie ist wohl erst spät gestern Abend aufgetaucht.“
Als sie schon unterwegs waren, um Snagad zu bekämpfen, also. Verflixt, wahrscheinlich sollten sie vor dem neuen Mädchen erst mal nicht erwähnen, was sie nachts trieben. Manchmal verschwanden Neulinge schnell wieder, weil sie doch woanders eine Bleibe gefunden hatten. Am Ende verbreitete das Mädchen dann düstere Geschichten über die Villa Federklaue. Bei dem Gedanken kehrte Lilys schlechte Laune zurück. Die Federklaue mochte teilweise etwas heruntergekommen sein und fragwürdige Methoden haben, um sich zu finanzieren, aber sie war ihr Zuhause. Und nicht nur ihres. Sie alle hatten hier eine Familie gefunden, als sie woanders nicht willkommen gewesen waren.
„Was meinst du, was für eine Alata sie …“, Lily unterbrach sich selbst, als die Tür zu Tinas Zimmer aufging und ein fremdes Mädchen ausspuckte. Sie trug ziemlich nichtssagende Jeans und einen dunkelroten Pulli. Aber Lilys Blick wurde sofort von ihren Augen gefangen genommen, die hinter einer eckigen Brille zu ihr blickten. Sie sah zögerlich aus, aber gleichzeitig selbstbewusst – eine Mischung, die Lily vertraut war. Sie ahnte sofort, dass die Fremde hohe Mauern um sich selbst aufgetürmt hatte, hinter die sie nur wenige Menschen blicken ließ.
„Guten Morgen, ich bin Rianne“, sagte das fremde Mädchen und streckte ihnen die Hand entgegen. Ihr ovales Gesicht, das von dichten schwarzen Locken eingerahmt wurde, zeigte ein Lächeln. Aber Lily entgingen die Anspannung in ihrer Haltung und der unruhig flackernde Blick nicht. Niemand tauchte in der Villa Federklaue ohne einen Haufen Probleme im Reisegepäck auf. Lily seufzte innerlich.
Mit einem herzlichen Lächeln trat Tina auf Rianne zu und schüttelte ihre Hand. „Hi, ich bin Tina.“
Lily gab sich einen Ruck und ergriff ihre Hand ebenfalls. „Lily.“
Zwischen Riannes terrakottafarbenen Fingern sahen ihre eigenen taubenweiß aus. Ihre Haut war warm und der Druck ihrer Finger sanft. So nah sah Lily, dass Riannes Augen nicht ganz schwarz waren, sondern ein feiner dunkelbrauner Ring ihre Iris säumte. Verdammt, sie sah wirklich gut aus und darüber war Lily plötzlich gar nicht mehr glücklich. Sie konnte es sich nicht leisten, Gefühle für eine Mitbewohnerin zu entwickeln, die einen Berg an Geheimnissen mit sich herumtrug. Das würde nur in Drama und gebrochenen Herzen enden.
Ruckartig wandte Lily sich ab und floh die Treppe hinab. Sie fühlte sich etwas schlecht, weil sie Tina mit der Neuen alleine zurückließ, aber sie hatte heute keine Energie hierfür. Nein, sie benötigte jede Gehirnzelle, um das Problem mit den Snagad zu lösen. Für hübsche Mädchen mit sanften Rehaugen und einem geheimnisvollen Lächeln war in ihrem Leben kein Platz.
Ende
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